IMMOBILIEN„In manchen Großstädten kann es zu Preiskorrekturen kommen“

Die Kaufpreise in der Hauptstadt haben sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt.
Seit zehn Jahren steigen die Preise in den deutschen Großstädten unaufhörlich. Und das Interesse an deutschen Gebäuden steigt weiter. Doch manchem Investor wird der mittlerweile zehnjährige Boom allmählich unheimlich. Die Sicht der Ökonomen auf die Grundlage des Booms – einer florierenden Wirtschaft – ist da gefragter denn je. Als das Handelsblatt den Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, am Rande der Immobilienmesse Expo Real in München trifft, verkünden die Veranstalter gerade Rekordzahlen: Knapp 2100 Aussteller und 44.500 Teilnehmer waren gekommen. So groß war das Interesse noch nie.
Herr Fratzscher, die Immobilienpreise in Deutschland steigen, die Umsätze sind auf Rekordniveau. Wie wichtig ist die Immobilienbranche für die deutsche Konjunktur?
Sie ist für jede Volkswirtschaft wichtig und im Augenblick für Deutschland in besonderem Maße. Ein erheblicher Teil des deutschen Wachstums stammt von den hohen Bauaktivitäten und Bauinvestitionen, sowohl im privaten Wohnungsbau als auch bei den Gewerbeimmobilien.
Inklusive Bau kommt die Branche auf einen Umsatz von 500 Milliarden Euro und sorgt für rund ein Fünftel der deutschen Wertschöpfung. Ist das Immobilienwesen systemrelevant?
Welche konjunkturelle Bedeutung die Branche einnehmen kann, haben wir in der Finanzkrise in Spanien und Irland gesehen, wo ihr Einbruch die gesamte Wirtschaft in Mitleidenschaft gezogen hat. In Deutschland sehe ich aber kein solches Risiko. Der Immobiliensektor hat einen maßgeblichen Anteil an der guten Konjunktur, er birgt aber kein systemisches Risiko, nicht zuletzt weil die Finanzierung solide aufgestellt ist. Die Banken vergeben Immobilienkredite nur, wenn die Darlehensnehmer einen hohen Eigenkapitalanteil mitbringen. Das ist ein wichtiger Unterschied im Vergleich zur Finanzkrise nach 2008, die von einer zu laxen Kreditvergabe und intransparenten Risiken, nicht zuletzt in den USA, ausgelöst wurde.

Der Ökonom leitet seit 2013 das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin.
Was aber, wenn die Hochkonjunktur in der Branche einmal vorüber ist und Unternehmenspleiten drohen. Sie sehen keine Ansteckungsgefahr?
Die deutsche Bau- und Immobilienwirtschaft ist von einer mittelständischen Struktur geprägt. Das ist eine Stärke und in Krisenzeiten ein Vorteil. Wenn es um Großprojekte geht, kann das allerdings zum Nachteil werden: Große Infrastrukturprojekte können oft nur Konzerne aus dem Ausland stemmen.
Angesichts der stark gestiegenen Kauf- und Mietpreise wird so heiß über den Wohnungsmarkt debattiert wie lange nicht. Gibt es eine Preisblase am Markt?
Unsere Analysen zeigen keine flächendeckende Preisblase im Immobiliensektor, allenfalls punktuell in Großstädten. Hier gibt es sicher einige spekulative Käufe von ausländischen und deutschen Investoren. Insgesamt sehe ich die Lage aber entspannt. Wenn Sie sich die Immobilienpreise hierzulande in den vergangenen 20 Jahren anschauen, erkennen Sie eine lange Zeit flache oder gar leicht rückläufige Kurve. Im Großen und Ganzen ist der Markt gesund.
Sie sehen also keine Gefahr für einen Crash?
In mancher Großstadt kann es zu Korrekturen kommen, was angesichts zweistelliger Preisanstiege über mehrere Jahre in Metropolen wie Berlin, München oder Frankfurt auch gar nicht ungesund wäre. Einen Preiseinbruch sehe ich aber nicht. Der Preisanstieg ist meist fundamental begründet, weil immer mehr Menschen in die Städte ziehen.
Was könnte eine Korrektur auslösen?
Was konkret ein Auslöser sein könnte, lässt sich schwer vorhersagen. Im Falle einer globalen Finanzkrise oder Rezession könnte die Liquidität am Markt knapp werden und die Preise daraufhin fallen. Diese Gefahr schätze ich in den nächsten zwei, drei Jahren aber als gering ein.
Wie ließe sich den immer weiter steigenden Preisen begegnen?
Maßnahmen wie die Mietpreisbremse oder ein Mietenstopp alleine halte ich für ungeeignet. Das löst das grundlegende Problem nicht. Das lässt sich nur über die Angebotsseite beheben: Wir brauchen mehr Bauland und Verdichtung in den Städten und wir müssen die Genehmigungsverfahren abkürzen. Das ist der einzige Weg, wie man den Preisdruck mittelfristig unter Kontrolle bekommen kann.
Was halten Sie von der Idee, den Zugang ausländischer Investoren zum Immobilienmarkt zu begrenzen, wie es der Regierende Bürgermeister Berlins erwägt?
Spekulation und Manipulation einzugrenzen halte ich für gut und richtig. Niemand will, dass eine spekulative Blase entsteht. Die Sorge davor sollten wir ernst nehmen und versuchen, die Risiken zu begrenzen. Man kann spekulatives Kapital nicht vermeiden, das ist eine Illusion. Aber man könnte Regeln finden, um es zu begrenzen.
Wie denn?
Indem man beispielsweise den privaten Immobilienerwerb an eine private Nutzung bindet. Das gibt es so in manchen Ländern und Städten schon.
Könnte das nicht auch hinderlich werden und Kapitalgeber verschrecken? Investiert wird ja nicht nur in den Immobilienbestand, sondern auch Projektentwicklungen, also neue Wohnungen?
Es geht ja gar nicht darum, privates Kapital zu verteufeln. Das darf’s auch nicht sein. Wir müssen nur klare Rahmenbedingungen schaffen, und zwar dann, wenn es sich im negativen Sinne auf die Stabilität des Immobilienmarkts auswirkt.
Private Investoren am Wohnungsmarkt sehen sich zunehmend unter Druck. Städte fordern Quoten für den sozialen Wohnungsbau. Die Konditionen für Förderdarlehen für sozialen Wohnungsbau seien nicht attraktiv, kritisieren sie.
Das ist Klagen auf hohem Niveau. Ich sehe nicht, dass man mit Wohnungsbauprojekten heute nicht genug Rendite macht. Die Zinsen sind im Keller, weshalb viele Investoren am Immobilienmarkt aktiv sind. Eine ähnlich solide Alternative sehen sie am Markt bislang nicht. Die Städte versuchen in dieser Situation, günstige Konditionen für Menschen mit geringem Einkommen heraus zu handeln. Das kann ich durchaus nachvollziehen.
Herr Fratzscher, vielen Dank für das Gespräch


