Reform der Grunderwerbsteuer sorgt für Streit in der Immobilienbranche
Quelle: 11.09.2018 – 15:00 Uhr Handelsblatt Autor: Reiner Reichel
Private Immobilienkäufer zahlen hohe Grunderwerbsteuern. Großinvestoren drücken sich vielfach. Für sie könnte es teuer werden: Eine Reform soll mehr Gerechtigkeit herstellen.
DüsseldorfSanierte Altbauwohnung in Berlin, vermietet, Kaufpreis 499.000 Euro. So wurde vor wenigen Tagen ein Apartment mit dreieinhalb Zimmern auf der Website Immobilienscout24 angeboten.
Wenn es bei dem Preis bleibt, zahlt der Käufer dieser Wohnung im angesagten Kiez Prenzlauer Berg 29.940 Euro Grunderwerbsteuer an das hochverschuldete Land Berlin. Berlin verlangt sechs Prozent Grunderwerbsteuer und bleibt damit einen halben Prozentpunkt unter dem Spitzensatz, den zum Beispiel Deutschlands bevölkerungsreichstes Bundesland, Nordrhein-Westfalen, verlangt.
Aber es geht auch anders. Im Oktober 2017 kauften Oxford Properties, zum Pensionsfonds der kanadischen Provinz Ontario gehörig, und die New Yorker Investmentgesellschaft Madison International Realty das Sony-Center in Berlin für rund 1,1 Milliarden Euro. Eigentlich hätten dem Land Berlin 66 Millionen Euro Grunderwerbsteuer zufließen müssen.
Doch es gab keinen Cent, denn die Investoren nutzten einen ganz legalen Trick: Sie kauften rein rechtlich betrachtet nicht das Gebäudeensemble am Potsdamer Platz, sondern Anteile an einer Gesellschaft, die Eigentümerin des Sony-Centers war. Weil keiner der beiden Eigentümer volle 95 Prozent erwirbt, muss auch keiner Grunderwerbsteuer bezahlen.
„Share Deal“ heißt eine solche Transaktion. Oft übernimmt dabei eine Investmentbank 5,1 Prozent der Anteile, damit der Hauptinvestor unter 95 Prozent bleibt.
„Es ist üblich, dass der Mehrheitseigentümer dem Käufer der Minderheitstranche statt einer Gewinnbeteiligung eine Garantiedividende zahlt“, erläutert Bernd Janssen, Senior-Analyst für Immobilienaktien bei Victoria-Partners, wie es in der Praxis läuft. Nach fünf Jahren darf der Mehrheitseigentümer den Minderheitsanteil steuerfrei zukaufen und wird so Alleinbesitzer
Experten glauben, dass sich Share-Deal-Strukturen zur Vermeidung von Grunderwerbsteuern erst ab Kaufpreisen von etwa 100 Millionen Euro lohnen. Damit eignen sie sich für Großinvestoren wie Aktiengesellschaften, Immobilienfonds, Versicherer und Altersvorsorgeeinrichtungen. Für Privatleute wäre es dagegen viel zu aufwendig, eigens eine Firma zu gründen und einen Mitspieler für den Minderheitsanteil zu suchen – sie müssen die Steuer daher bezahlen.
Wichtige Einnahmequelle für Länder
Über den Anteil der Share Deals an den Umsätzen auf dem Immobilieninvestmentmarkt gibt es keine zuverlässigen Zahlen. Die Schätzungen bewegen sich zwischen 20 und 40 Prozent. Im vergangenen Jahr wechselten in Deutschland Wohn- und Gewerbegebäude im Wert von rund 70 Milliarden Euro den Besitzer, wobei die Käufe unter fünf Millionen nicht mitgezählt sind.
Bekannt ist, was die Länder trotz Steuervermeidungsstrategien an Grunderwerbsteuern einnehmen. Nach sieben Monaten in diesem Jahr waren es gut acht Milliarden Euro. Für die Länder ist die Grunderwerbsteuer eine wichtige Einnahmequelle, über die sie allein und selbstständig verfügen können.
Kai Warnecke, Präsident des Eigentümerverbands Haus & Grund, will, dass das Schlupfloch für Großinvestoren geschlossen wird: „Wir sehen eine große Gerechtigkeitslücke.“ Warnecke, der die Interessen privater Hausbesitzer vertritt, sieht nicht ein, dass es von der Rechtsposition des Käufers abhängen soll, ob Grunderwerbsteuer zu zahlen ist oder nicht.
Wenn die Schlupflöcher geschlossen würden, könnten die in den vergangenen Jahren kräftig erhöhten Grunderwerbsteuersätze wieder gekürzt werden, sagt er. In Berlin könnten sie auf drei Prozent halbiert werden. Er will das Thema beim Wohnungsgipfel am 21. September im Kanzleramt diskutieren. Da wird es auch darum gehen, dass die steigenden Grunderwerbsteuern mit dazu beitragen, Wohneigentum immer unerschwinglicher zu machen.

